MARTIN UNGER: „ICH HOFFE, DASS EIN RUCK DURCH DEN VEREIN GEHT!“

Von 1994 bis zur Jahrtausendwende stand Martin Unger in 166 Pflichtspielen bei den Profis des SC Austria Lustenau zwischen den Pfosten. Auch heute ist der 54-Jährige noch im Verein und gibt seine Erfahrungen als Torwarttrainer an die nächste Keeper-Generation bei den grün-weißen Amateuren weiter. Im Interview spricht er unter anderem über seine aktive Zeit und erzählt, was er sich vom neuen Stadion erwartet und wo er noch Handlungsbedarf sieht.

 

Seäwas Martin! Du hast in den 90ern viele Jahre lang den Kasten bei der Austria gehütet. Was geht dir durch den Kopf, wenn du dir Bilder aus deiner Zeit als Profi anschaust?
Die Zeit von 1994 bis 2000 war etwas ganz Besonderes. Nicht nur für uns Spieler, sondern auch für das gesamte Umfeld der Austria, den Vorstand, die unzähligen Helfer, die Mitarbeiter und die Fans aus ganz Vorarlberg. Zum ersten Mal nach 23 Jahren gab es wieder eine Bundesligamannschaft aus dem Ländle und die Euphorie war riesig. Das Stadion war immer mit mehr als 10.000 Zuschauern voll – dementsprechend war die Stimmung. Ich würde mir für die gesamte Familie der Austria wünschen, dass mit dem neuen Stadion wieder eine derartige Aufbruchsstimmung entfacht werden kann, wie sie damals herrschte. Denn dann kommen auch die ganz jungen Spieler und natürlich auch die Fans in den Genuss, das miterleben zu dürfen.

Mit dir auf der Linie spielte Grün-Weiß im Sommer 1999 international und auch in der österreichischen Bundesliga hast du packende Partien erlebt. Gibt es für dich ein spezielles Spiel oder einen besonderen Moment, der dir besonders in Erinnerung geblieben ist?
Da gab es viele schöne Momente. Beispielsweise das Aufstiegsspiel gegen den direkten Konkurrenten Vorwärts Steyr und danach die Meisterfeier vor eigenem Publikum in Lustenau gegen die Vienna. Das emotional größte Spiel war wahrscheinlich der Sieg beim Bundesligaauftakt im Sommer 1997 gegen den amtierenden Meister Salzburg, welches wir mit 2:0 gewonnen haben. Generell waren die Partien gegen die großen Clubs wie Austria, Rapid, Sturm oder Salzburg, in denen wir als „Underdog“ gehandelt wurden, immer Highlights. Dann noch die Spiele im UI-Cup, wo wir mit viel Pech an Stade Rennes aus Frankreich ausgeschieden sind aufgrund der Auswärtstorregel.

Hattest du während deiner Profi-Zeit Vorbilder, die dich geprägt haben?
Vorbild im Speziellen hatte ich eigentlich nie ein bestimmtes. Mein Credo war immer: „Schau dir von den Besten das Beste ab“ – und das versuche ich auch in meine Arbeit als Tormanntrainer im Austria-Nachwuchs einfließen zu lassen.

Du hast das alte Reichshofstadion als Spieler damals miterlebt, aber auch die Entwicklung des Vereins mitverfolgt. An der Schützengartenstraße tut sich aktuell einiges. Kommenden Sommer zieht die Austria wieder nach Hause an den Rhein und ein neues Bürogebäude entsteht. Wie siehst du die Fortschritt des Vereins und was erwartest du dir vom neuen Stadion?
Vom neuen Umfeld erwarte ich mir schon einiges. Ich hoffe, dass ein richtiger Ruck durch den ganzen Verein und das Umfeld geht und wir wieder „besondere Momente“ im neuen Stadion erleben dürfen. Was ich dennoch ein wenig schade finde, ist, dass mit der Stadioninfrastruktur die Entwicklung noch nicht abgeschlossen ist. Einen hohen Stellenwert hat für mich auch das neue Trainingscenter, welches für die gesamte sportliche Entwicklung im Verein eine enorme Bedeutung darstellt – zumindest für mein Empfinden. Ich hoffe, alle, die sich damit befassen, sehen das ähnlich. Aber man muss die Dinge immer von zwei Seiten betrachten, denn das alles ist nicht einfach umzusetzen und bedarf der Anstrengung von mehreren Seiten.

Kommen wir zur Gegenwart: Seit 15 Jahren bist du nun schon als Torwarttrainer bei den grün-weißen Amateuren aktiv. In den vergangenen Jahren hat sich der Fußball in vielen Bereichen weiterentwickelt – von der Technik bis hin zur Taktik. Welche Veränderungen siehst du im Torwartspiel, und wie versuchst du, diese Entwicklungen an die Amateure weiterzugeben?
Ich denke, im modernen Fußball hat sich das Tormannspiel mit am meisten verändert. Mittlerweile werden bei europäischen Spitzenclubs die Tormänner sehr stark danach ausgewählt, wie ihre Fähigkeiten mit dem Fuß sind. Das war damals nicht der Fall. Natürlich schadet es nicht, wenn der Tormann auch die torhüterspezifischen Dinge mit den Händen beherrscht. Im Prinzip suchen alle Vereine als Torhüter einen guten Feldspieler, der auch den ein oder anderen Ball „fängt“. Bei den Amateuren versuchen wir das Spiel mit dem Fuß schon in die Trainings miteinzubauen, wo es möglich ist. Da wir aber nur beschränkte Möglichkeiten aufgrund der Anzahl der Trainingseinheiten haben, ist es oft schwierig, dies in einer Trainingswoche unterzubringen. Sehr wichtig sind auch eine gewisse mentale Stärke, Ruhe und die Fähigkeit, schnell Entscheidungen zu treffen und eine gute Spieleröffnung durchzuführen.

Du hast in deiner Zeit als Spieler und jetzt als Torwarttrainer sicherlich viele Talente kommen und gehen sehen. Was macht für dich einen guten Torwart aus, und worauf achtest du bei jungen Spielern besonders?
Die, die es können, wollen nicht, und die, die es wollen, können es nicht. Das war in der Vergangenheit des Öfteren so, aber es hat sich in den letzten Jahren, seit ich im Trainerstab der Amateure involviert bin, verbessert. Bei den Jungen ist es nicht unbedingt nur Talent. Was für mich mindestens genauso wichtig ist, ist der unbedingte Wille, etwas erreichen zu wollen. Denn ohne den eigenen Antrieb und Disziplin geht es sich „nur“ mit Talent oft nicht ganz aus.

Zusammen mit Cheftrainer Momo Gerdi, Co-Trainer Gabriel Cristea und Athletiktrainer Christoph Holodnik bildest du den Coaching-Staff bei den Amateuren. Wie läuft eure Zusammenarbeit und was sind eure Ziele für die anstehenden Monate in der Vorarlbergliga?
Ich glaube, es gibt nicht oft einen Coaching-Staff, der sich so gut untereinander versteht wie in unserem Fall. Das ist etwas, was wir vier sehr schätzen. In Summe unserer Eigenschaften denke ich, dass wir uns sehr gut ergänzen und der Mannschaft das Notwendige mitgeben können, um gute Leistungen abzurufen. Was aber in einer Mannschaft mit vielen Spielern, die erste Erfahrungen im Erwachsenenfußball machen, nicht immer ganz leicht ist.

Zum Abschluss, Martin: Wenn du die Austria mit einem Satz beschreiben könntest, wie würde dieser lauten?
Die Austria, ein „schlafender Riese“, aber bitte weckt ihn auf!

Unger PZ-VIII-2735e26 (2)

Martin Unger bei einem Spiel im Jahre 1998

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